Gemeinsam an die Spitze

Mit den Jubiläen von Swissmill und Naturaplan gibt es für Coop im Jubiläumsjahr viel zu feiern. Wie sieht der Leiter Direktion Informatik, Produktion und Services bei Coop, Reto Conrad, die bisherige und künftige Entwicklung von Swissmill?
Reto Conrad ist in seiner Direktionsfunktion bei Coop unter anderem für fünf Produktionsbetriebe zuständig: namentlich Swissmill, Chocolats Halba  /  Sunray, die Reismühle Brunnen und Nutrex, zudem Steinfels Swiss im Non-Food-Segment.

Wie blicken Sie, Herr Conrad, im Jubiläumsjahr 2018 auf Swissmill?
Wir blicken auf eine lange, gute und schöne Tradi­tion zurück. Darauf sind wir stolz. Sie ist spürbar, auch in den Herzen, beim Personal und bei den Kunden. Wesentliche Teile der Geschichte sind unseren langjährigen Mitarbeitenden vertraut.

Dass der Geist der Stadtmühle Zürich mit seiner aus­ge­sprochenen Kundenorientierung weiterlebt, ist mir wichtig. Mit Blick in die Zukunft freut mich, dass wir über eine top­moderne, gut ausgerüstete Mühle verfügen und dass der Betrieb sehr viel Know-how vereinigt.

Dass sich das Unternehmen – seit 1843 am ange­stammten Standort beim Escher-Wyss-Platz – so entwickeln konnte, ist erstaunlich.
Mir gefällt, dass sich im traditionellen Zürcher Industrie­quartier, umgeben von modernen Gebäuden, ein industrieller Traditionsbetrieb wie unsere Mühle behauptet. Hier riecht es gut, man merkt sofort, da werden gute Lebensmittel her­gestellt. Das darf und soll man riechen, es gehört einfach zu diesem Quartier. Mit der Stadt hatten wir immer ein gutes Einvernehmen. So konnten wir die Mühle in ihrem tradi­tionellen Gemäuer moderni­sieren und weiter­entwickeln zu einem effizienten Betrieb.

Modernität und permanente Entwicklung sind Markenzeichen von Swissmill. Welches sind Bausteine des Erfolgs?
Die Entscheidungsträger müssen offen sein und zeigen: Wir glauben an euch und an das Unter­nehmen, also investieren wir. Wichtig ist zudem die langjährige gute Techno­logie­partner­schaft mit Bühler. Dass der Haupt­sitz des weltweit führenden Mühlen­bauers so nahe liegt, ist eine Chance. Das ermöglicht uns Zugang zu neuen Techno­logien, und Swissmill-Leute können an Lösungen mitarbeiten. Häufig schauen Gäste von Bühler unsere Mühle als Referenz­unter­nehmen an. Das ergibt eine Win-win-Situation.

Woher kommt die Vielfalt im Mühlenbetrieb?
Coop war es immer wichtig, einen grossen Teil des Sortiments selber zu produzieren. Das führte zu dieser Vielfalt. Die eigenen Bäckereien sind ein wichtiger Kunde der Mühle. Sie sind daran interes­siert, dass sie ein möglichst breites Sortiment an Mühlen­produkten über Swissmill beziehen können.

Diese Vielfalt kommt allen Kunden zugute. Es zeichnet Swissmill aus, dass der Hauptteil der Produkte an Kunden ausserhalb der Coop-Gruppe geht. Für alle unsere Produktions­betriebe sind Dritt­kunden zentral. Das hält innovativ und agil.

Technologisch und in der Sortimentsgestaltung?
Ja, genau. Swissmill und Coop profitieren vom Geschäft mit Dritt­kunden. Umge­kehrt profitieren diese von den extrem hohen Anforderungen, die Coop an die Produkt­qualität, die Qualitäts­sicherung und die Zuver­lässigkeit bei Swissmill stellt. Coop setzt bewusst auf den Produktions­standort Schweiz. Hat Vertikali­sierung nach wir vor einen hohen Stellen­wert? Vertikal­isierung ist für Coop generell wichtig. Händler vertikal­isieren, dieser Trend gilt inter­national. In den uns wichtigen Schwer­punkt­themen wollen wir stark sein und zu den Besten gehören. Eine eigene Mehl­produktion gehört dazu. Dank ihrer gelingt es unseren Bäckereien, diese Vielfalt an frischem und gutem Brot herzustellen.

Neben dem Swissmill-Jubiläum gibt es für Coop jetzt einen weiteren Höhe­punkt: das 25-Jahr-Jubiläum von Natura­plan als erster Bio-Marke im Schweizer Detail­handel. Auch darauf dürfen wir stolz sein und uns im Rahmen dieses Jubiläums dank der engen Zusammen­arbeit mit Bio Suisse ein Stücklein vom Bio-Erfolg in der Schweiz abschneiden. Auch Swissmill-Produkte trugen von Anfang an zur Ent­wicklung unseres Natura­plan-Sortiments mass­geblich bei.

Welche Bedeutung haben die eigenen Produktions­stätten im Hinblick auf Bio und Nach­haltig­keit?
Coop hätte sich ohne sie im Bereich Nach­haltigkeit wohl nicht so schnell entwickeln können. Sämtliche Produktions­betriebe bieten für Natura­plan Bio-Produkte nach den strengen Knospe-Richtlinien an. Wir differen­zieren uns über Nach­haltigkeit, da sind wir führend – und zwar auf inter­nationalem Top­niveau. Unsere Produktions­betriebe haben dabei eine Schlüssel­funktion. So gehört auch Swissmill zu den wichtigen Tür­öffnern, um neue Möglich­keiten für Produkte zu erschliessen. Unsere Reis­mühle ist heute europa­weit führend im Bereich Bio und Fair Trade. Und Chocolats Halba ist der Einzige der grossen Schoko­lade­fabri­kanten, der zu 100 Prozent nachhaltige Kakao­bohnen verarbeitet.

«Gemeinsam an die Spitze» ist ein Leitsatz von Coop. Das gilt somit auch punkto Nachhaltigkeit?
Mit allem, was wir machen, wollen wir an die Spitze kommen und dabei auch nachhaltig wirken. Seit vielen Jahren sind wir fokussiert auf Nach­haltigkeit – mit dem Ergebnis, dass wir heute mit Abstand Markt­leader im Bio-Bereich sind. Wir wurden als Erste für Nach­haltigkeit ausge­zeichnet. Als Erste strebten wir die CO2-Neutralität an und definierten einen klaren Absenkungs­pfad. Dieser Nach­haltig­keits­geist ist in unseren Produktions­betrieben deutlich spürbar. Das Engagement in diesen Belangen ist ihre Stärke und brachte Coop voran. Damit unter­scheiden wir uns von der Kon­kurrenz, im Dritt­markt und auch international.

Noch ein Blick nach vorn: Überall wird auto­matisiert. Braucht es in Zukunft noch Müller?
Auf jeden Fall. Das Standard­geschäft wird zwar noch ver­stärkt automatisiert. Die Komplexität nimmt aber zu: mehr Produkte und Spezialitäten, unter­schiedliche Mengen und mehr Anwendungen für ganz spezifische Situationen. Da braucht es auf allen Stufen gut aus­gebildete Leute. Denn: Auch bei einer Verpackungs­anlage kommt irgendwann das Marketing mit neuen Anforderungen, für welche die Maschine nicht ausgelegt ist. Vielfalt erfordert Flexibilität. Keine Maschine kann von einer Sekunde auf die andere etwas anderes machen. Da ist der Mensch flexibler.


Eigene Mühle als Rettung

Weil den Konsumbäckereien das Mehl ausging, hielten sie Ausschau nach einer eigenen Mühle.
Der bedeutendste Mehlverbraucher in der Schweiz um 1900 war der Verband Schweize­rischer Kon­sum­vereine VSK als Vorläufer von Coop. Die bestehenden Bäckereien sahen allerdings in den von den Konsum­genos­sen­schaften eröffneten Bäckereien mit ihren niedrigeren Brot­­preisen eine bedrohliche Konkurrenz. Den genos­sen­schaft­lichen «Preis­pfuschern» wirkten die Bäcker­verbände entgegen: mit verpflich­tenden Preis­bindungen für Müller und Bäcker. Mühlen, welche die Konsum­­vereine belieferten, gerieten unter Druck.

Im «Kampf um den gerechten Preis» kam in den Reihen des VSK die Idee auf, eigene Genos­sen­schafts­mühlen zu gründen. Ein Plan «für den Ernstfall» lag 1904 bereit. Dann, im Juni 1912 wurde es ernst: Die Zürcher Bäcker erhöhten den Brot­preis, der Lebens­mittel­verein Zürich jedoch machte nicht mit. Den Mühlen waren die Hände gebunden, Mehl­lieferungen waren untersagt. Beim VSK hielt man Ausschau, um eine geeignete Mühle zu erwerben – und wurde auf «E. Maggis Stadt­mühle» in Zürich aufmerksam, «die wegen ‚unbefrie­digenden‘ Verhält­nissen käuflich war.» Schon im September kam ein Kauf­vertrag zustande, wonach die «Stadt­mühle Zürich» per 1. Januar 1913 auf die neu gegründete Mühlen­genos­senschaft MSK überging; abgestützt auf 50 Konsum­vereine, die sich zum Mehl­bezug verpflichtet und Anteil­scheine gezeichnet hatten.

Übrigens: Konsum­genos­sen­schaften, sogenannte Cooperativen, waren in vielen Ländern Europas mit der auf­kommenden Indus­trialisierung in der Mitte des 19. Jahr­hunderts entstanden. Diese verschafften ihren Mit­gliedern Zugang zu verbilligten Lebens­mitteln. Auch in Schweizer Städten und grösseren Ort­schaften auf dem Land kamen damals Konsum­vereine auf. 1890 wurde der Verband Schweizer­ischer Konsum­vereine VSK ins Leben gerufen.

25 Jahre Naturaplan

In Zusammenarbeit mit Bio Suisse, dem Dachverband der Schweizer Bio-Bauern, lancierte Coop 1993 die erste Bio-Marke im Schweizer Detailhandel: Coop Naturaplan.
Diese Pionier­leistung verhalf einer umwelt- und tier­gerechten Land­wirtschaft in der Schweiz zum Durch­bruch. Mit über 1’800 Produkten ist Natura­plan heute die grösste Bio-Marke der Schweiz und wird konti­nuierlich weiter­entwickelt.

Der Schweizer Bio-Standard, repräsentiert durch die Knospe, gehört zu den höchsten Bio-Standards. Dieser gilt auch für importierte Produkte. Ein wesentlicher Unter­schied etwa zu den gesetzlichen EU-Bio-Richt­linien: Der gesamte Bauernhof – nicht nur einzelne Betriebs­zweige – wird biologisch geführt.

Coop engagiert sich zudem für Bio-Fair-Trade-Projekte im Ausland. Zum Beispiel in Ghana, wo Bauern für Coop in Misch­kulturen Kakao anbauen. Das bedeutet: Niedrig wachsende Pflanzen geben, abge­schnitten, dem Boden Nähr­stoffe und höher wachsende Bäume schützen die Kakao­kulturen vor Hitze. Das fördert die Bio­diversi­tät und den Verzicht auf Agro­chemikalien.

Auch eine Bio-Mühle

Kaum war die Naturaplan-Marke lanciert, stieg Swissmill mit ins Boot und begann Bio-Getreide zu verarbeiten.
Schon 1993 belieferte unsere Mühle das neue Natura­plan-Sorti­ment von Coop mit einem Halb­weiss- und mit Vollkorn­mehl. Bald folgte ein Bauern­mehl mit Knospe. Ab 1997 ergänzten Natura­plan-Bio-Hafer­flocken und -Weizen­kleie sowie Gemüse­spätzli die Regale in den Coop-Läden. Zudem wurde Bio-Bramata-Mais für den Markt hergestellt.

Heute ist unsere Mühle auch bei Bio führend in der Schweiz. Der Bio-Anteil des bei Swissmill verar­beiteten Getreides liegt bei insgesamt 26 Prozent. Für das Bio-Segment produzieren wir Mehle aus unter­schiedlichen Getreide­sorten, Griesse für Teigwaren und Polenta, Hafer­flocken oder Panier­mehle.

Bio lebt vom Vertrauen. Dafür unternehmen wir viel: bei der Beschaf­fung, der Lagerung und der Verarbeitung. Wichtig ist uns eine verlässliche Zusam­menarbeit mit Lieferanten im In- und Ausland, die mit Herz­blut arbeiten. «Unsere Nähe zum Markt und lang­jährige Partner­schaften gewährleisten uns eine sichere Versorgung mit Qualitäts­­rohstoffen», erklärt Matthias Staehelin, Leiter Beschaffung, Qualität und Behörden. Seit 1999 engagiert sich Swissmill im Bio-Getreide­pool von Bio Suisse, wo Über­nahme­bedingungen branchen­übergrei­fend geregelt werden. Gemein­sam mit Coop fördert Swissmill die heimische Bio-Saat­gut­züchtung in Partner­schaft mit dem Saat­gut­hersteller Sativa und dem Getreide­züchter Peter Kunz. Seit 2005 sind wir ebenfalls Koope­rations­partner von «Gran Alpin».

1913 – Die MSK-Mühle


Per 1. Januar übernahm die neu gegründete «Mühlen­genos­sen­schaft Schweize­rischer Konsum­vereine» MSK die Stadt­mühle Zürich. Schon damals war sie «die grösste Schweizer­mühle mit neu­zeitlicher Einrichtung und einer Leistungs­fähigkeit von 60 Wagen Getreide per Woche»; das entspricht 600 Tonnen. Weil die Bevölkerung wuchs, stieg auch der Mehl­bedarf kontinuierlich. Zählte die Schweizer Wohn­bevöl­kerung im Jahr 1800 noch 1,7 Mio. Menschen, waren es 1860 schon 2,5 Mio. und 1900 sogar 3,3 Mio.


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Gesellschaftliche und technologische Entwicklungen und ganz besonders Menschen haben über alle Jahre unser Unternehmen geprägt.
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