31.03.2020

Petrischalen, Brutkästen, Handarbeit und Hightech

Hersteller und Händler bürgen für die Qualität und Unbedenklichkeit ihrer Produkte. Laboranalysen sind dabei wesentlich. Eine Laiin blickt für das Kornmagazin staunend hinter die Kulissen des Zentrallabors von Coop in Pratteln.
Messung des Chrom(VI)-Gehaltes von Leder (links) und Probenaufbereitung für die Nitrit- und Nitrat-Bestimmung in Fleischwaren. Bild: Coop PD

Unsere Esswaren sollen nicht nur schön aussehen und uns fein schmecken. Sie sollen auch qualitativ unbedenklich sein und halten, was sie versprechen: also frei sein von gesundheitsgefährdenden Erregern, nicht deklarierten Allergenen oder gefälschten Zutaten. Ist darauf auch Verlass? «In der Schweiz haben wir generell ein sehr hohes Level, was die Lebensmittelsicherheit betrifft», sagt Rolf Bögli und öffnet die Türe zum Zentrallabor. Als dessen Chef muss er es wissen.

Hier dominiert eine Farbe: Arbeitskorpusse, Apparaturen, Kittel sind allesamt weiss. Der brombeerrote Boden allerdings überrascht. «Wir haben das Raumklima bewusst angenehm gestaltet; beim Teamentscheid über die Bodenfarbe unterlag die ‘Blaufraktion’», sagt Silvio Raggini schmunzelnd. Er leitet das neue 2017 in Betrieb genommene Qualitätscenter der Coop-Gruppe mit dem Zentrallabor. Und es gibt noch weitere räumliche Vorzüge: Ganze Arbeitsblöcke können modulartig verschoben und ausgebaut werden. Das gilt auch für die flexiblen Mediensäulen, die Labore mit Strom, Wasser, Reingasen, Druckluft und IT versorgen.

In den insgesamt 24 Labors arbeiten Chemikerinnen und Chemiker, Laborantinnen und Laboranten. Sie wägen, mischen, trennen, verdünnen, berechnen und protokollieren mit höchster Präzision, unterstützt von unterschiedlichsten Instrumenten und Analysegeräten. Aus der Laienperspektive ist es eine ebenso faszinierende wie geheimnisvolle Arbeitswelt.

Unerwünschtes identifizieren

Rolf Bögli und Silvio Raggini führen die Besucherin in verschiedene Laborabteilungen. Dazu gehören die Fachbereiche für Nährstoff- und Allergenanalysen, die für eine saubere Deklaration auf den Verpackungen unablässig sind. Die meisten Probenanalysen führt die Abteilung für Mikrobiologie durch. Hier untersuchen Mitarbeitende stichprobenweise zum Beispiel Würste, Patisserie oder Weichkäse auf Hefen, Schimmelpilze, Verderbnisbakterien und krankmachende Keime wie Listerien. Denn je nach Art und Menge sind solche Mikroorganismen in Lebensmitteln gesundheitsschädlich, schlimmstenfalls tödlich.

Um sicher zu gehen, dass das Produkt den Qualitätsansprüchen entspricht, gibt eine Mitarbeiterin eine Wurstprobe mit einer Verdünnungslösung in einen Plastikbeutel. Der Beutelinhalt wird dann im Stomacher-Homogenisator gemixt und Keime (Bakterien, Schimmelpilze, Hefen) werden herausgelöst. Damit die gesuchten Mikroorganismen auch schön gedeihen, wird die Probe mit einer sogenannten Nährbouillon vermischt und gelangt schliesslich in einer Petrischale in einen der zwei Dutzend Brutkästen im hinteren Teil des Raumes. Dort können sich die Keime optimal vermehren und Kolonien bilden.

Nach einigen Tagen zeigt sich, wie hoch die Keimbelastung der Wurst ist. Dafür registriert die Labor-Mitarbeiterin mit einem Stift am manuellen Kolonienzähler die einzelnen Punkte in der Petrischale unter der Lupe. Ein Sensor zählt mit. Am Ende rechnet der Computer die Gesamtkeimzahl in der geprüften Wurst hoch. «In diesem Bereich gibt es noch sehr viel Handarbeit», sagt Silvio Raggini. Wobei – auf dem Tisch steht auch ein automatischer Kolonienzähler. «Doch», erklärt er, «wir wollen mit automatisierten Lösungen keine Risiken eingehen, zudem fehlen uns die dazu routinemässig erwarteten grossen Probenmengen.»

Brutschränke zur Bebrütung der mikrobiologischen Analysen. Auszählen der Bakterienkolonien auf den bewachsenen Platten. Bild: Coop PD
Messlabor mit Gaschromatographen zur Bestimmung von Spritzmittel-Rückständen. Bild: Coop PD

Täuschungen verhindern

Szenenwechsel: Das Labor nebenan führt molekularbiologische Analysen durch, um genetisch veränderte Organismen (GVO) und Spuren davon nachzuweisen, vor allem im Bio-Bereich und bei konventionellen Importprodukten wie Soja oder Mais. GVO sind in der Schweiz deklarationspflichtig. Im konventionellen Tierfutter sind sie teilweise erlaubt. GVO-Zusätze wie Vitamine oder Enzyme brauchen dagegen keine Deklaration. Bei Bio-Knospe-Futtermitteln sind sie gar nicht erlaubt. – Ein weiterer Analysebereich in diesem Labor ist die Speziesidentifizierung. Sie soll Täuschungen verhindern, wenn beispielsweise Pferdefleisch als Rindfleisch angepriesen wird oder Textilien mit verfälschten Herkunfts- und Zusammensetzungsangaben geliefert werden.

In einem anderen Labor steht auf einem Korpus eine grosse Zahl von Weinflaschen. Sie kommen aus der Coop-eigenen Weinkellerei Cave, die ebenfalls im neuen Gebäudekomplex in Pratteln integriert ist und unterschiedlichste Tropfen aus aller Welt pflegt, veredelt und abfüllt. Die ausgewählten Weine werden stichprobenweise auf Pestizide kontrolliert. Bio-Weine werden generell geprüft.

Hightech-Analytik

Am Schluss des Rundgangs erklärt Rolf Bögli: «Hier haben wir einen Hightechbereich für Flüssigchromotographie mit Massenspektrometrie, die wir in der Spurenanalytik anwenden.» Im Zentrallabor stehen dafür vier sogenannte LC/MS-Geräte zur Verfügung. Teuer sind die Geräte nicht deshalb, weil sie äusserlich beeindrucken, sondern dank ihrem Können: Mit dem Verfahren lassen sich Proben in ihre Substanzen aufteilen und anschliessend in kleinsten Mengen bestimmen. «Zum Beispiel sind kleinste Rückstände von Antibiotika in Fleisch oder Spritzmitteln in Gemüse damit identifizierbar.» Bei der Bestimmung von Rückständen im Zentrallabor werden ebenfalls Gaschromotographen eingesetzt, die ein anderes Analysespektrum aufweisen.

Dank der immer feineren Analysemöglichkeiten sind heute kleinste Konzentrationen eines Stoffes messbar. Das veranschaulicht auch ein grossformatiges Plakat an der Laborwand anhand einer Analogie:

Vor rund 20 Jahren liess sich die Substanz eines Würfelzuckers in der Füllmenge eines Tanklastwagens feststellen. Dies in der Masseinheit ppm (parts per million respektive 0,0001 %). – Heute hingegen lässt sich die Substanz eines Würfelzuckers in der Füllmenge selbst eines Tankschiffes messen. Dies in der Einheit ppb (parts per billion, deutsch: Anzahl Teile per Milliarde respektive 0,000’0001 %).

Tatsächlich seien in der Analytik inzwischen viel tiefere Sichten möglich, sagt Q-Center-Chef Silvio Raggini und ergänzt: «Wie schädlich Substanzen sind, hängt massgeblich von der Art ab. Wenig von etwas stark Belastendem oder viel von etwas ‚Harmloserem’ entscheidet darüber, inwieweit ein Erzeugnis qualitativ in Ordnung oder nicht in Ordnung ist bzw. die Gesetzes- und QS-Vorgaben erfüllt.»

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