Persönlich

Romeo Sciaranetti

Geschäftsleiter Swissmill und Leiter der Coop-Produktionsbetriebe

«Der Berufsstolz der Müller ist zu Recht hoch.»

Romeo Sciaranetti

Vielfalt unter einem Dach

Vermeintliche Nachteile können sich durchaus zu Wettbewerbsvorteilen entwickeln, beobachtet Romeo Sciaranetti, der Geschäftsleiter von Swissmill.
Romeo Sciaranetti: «Vielfalt ist für uns ein Schlüssel zum Erfolg.»

Was beeindruckt Sie, Herr Sciaranetti, in der langen Entwicklung des Unter­nehmens?
Mut, Innovations- und Tatkraft charakterisieren die Erfolgs­geschichte der einstigen Stadt­mühle, von den Pionier­jahren der Familie Maggi über die Mühlen­genossen­schaft bis zur heutigen Swissmill. Alle Teams stellten sich zu ihrer Zeit wechselnden Heraus­forde­rungen. Trotz aller Hochs und Tiefs gelang es, das Unter­nehmen einfalls­reich und positiv stetig weiter­zu­entwickeln. Dieser Geist beeindruckt mich.

Wie traten Sie 2010 Ihre Aufgabe als Geschäfts­leiter bei Swissmill an?
Ich sah mich in einer positiven Situation: Ich über­nahm ein gut eingespieltes Team in einem spannenden Umfeld. Die Produktion war technolo­gisch gut aufgestellt. Die bisherige Erfolgs­geschichte weiter­zu­schreiben, darin sah ich die Heraus­forderung.

Wie verstehen Sie Ihre Führungs­rolle im Unter­nehmen?
Eine ausgesprochene Macher­kultur ist im Betrieb gut verankert. Meine Idee war und ist es, Entwick­lungen unter­nehmerisch-kreativ anzugehen und den wirtschaft­lichen Aspekten aus­gewogen Rechnung zu tragen. Den Mitar­beitenden und Teams gewähre ich unter­neh­merische Frei­räume. Sie bringen ihre Ideen ein, und ich schaffe die Rahmen­bedingungen, dass sie sich eigen­verant­wortlich bewegen können.

Wo sehen Sie die Stärken des Unter­nehmens?
Die gewachsene Vielfalt an einem Standort ist einzigartig. Sie wider­spiegelt sich in den Getreide­sorten, Techno­logien, Labels und einem ent­sprechend breiten Produkt­sortiment. Wir bieten Kunden ein Voll­sortiment und Service­leistungen aus einer Hand. Eine Stärke von Swissmill ist sicherlich, dass wir Eigen­schaften von Mehlen und Mischungen für unter­schied­lichste Back­waren bestens kennen. So profitieren unsere Abnehmer von der lang­jährigen Erfahrung, die in unseren Produkten steckt.

Platzfragen

Vielfalt bringt fraglos auch Heraus­forderungen mit sich.
Vielfalt an einem Standort ist ein Thema, das uns tat­sächlich immer aufs Neue fordert. Die knappen Platz­verhältnisse waren für die Weiter­ent­wicklung der Mühle immer ein limitierender Faktor. Aber er förderte die Kreativität. Darin sehen wir heute einen Wett­bewerbs­vorteil. Standard­lösungen taugten oft nicht, Mass­geschneidertes führte uns weiter.

Können Sie das noch etwas ausführen?
Die Platz­verhältnisse sind eng, die Produktion ist aber breit aufgestellt. Das bedingt, dass wir bei einem Erweite­rungs­projekt bestehende Ein­rich­tungen und Strukturen bis an die Peripherie kritisch überdenken. Ein wichtiger Sparrings­partner für die Umsetzung ist oft die Firma Bühler. Mit ihr verbindet uns eine lang gewachsene Zusammen­arbeit. Eine Mühle ist technologie­getrieben, die Einrichtungen im Innern sind das Herz­stück. Dennoch ist sehr viel Know-how von unseren Mitar­beitenden gefordert. Der Berufsstolz der Müller ist zu Recht hoch.

Swissmill will weiter diversi­fizieren, in welcher Form?
Wir möchten unseren Radar weit öffnen und unser Produkt­portfolio ergänzen. Insbesondere da, wo unsere Kompetenz schon ausgeprägt ist. So bauen wir etwa unsere Misch- und Extrusions­kompetenz weiter aus. Vielfalt ist für uns ein Schlüssel zum Erfolg. In allen Seg­menten haben wir in den ver­gangenen Jahren Markt­anteile hinzu­gewonnen. Wir haben gesunde Wachs­tums­ziele definiert, sind aber nicht bestrebt, alles zu können.

Könnte man in Sachen Komplexität nicht an Grenzen stossen?
Die zusätzliche Komplexität, die aus neuen Geschäfts­feldern resultiert, werden wir mit Mass­nahmen und neuen Mitteln angehen. Wir sind dabei, ein wichtiges Infor­matik­projekt zu reali­sieren. Es soll uns im gesamten Produk­tions­kreis­lauf und in der Absatz­planung prozess­mässig unterstützen.

Welche Vorteile bringt eine Sortiments­erweiterung?
Diversifikation ist primär eine Wachstums­strategie von Swissmill. Diversi­fizieren wir, federn wir auch gleichzeitig Markt­risiken besser ab, bis hin zu einer allfälligen Markt­öffnung. Politisch dürfte eine solche zwar nicht mehr­heits­fähig sein, aber die agrar­politischen Rahmen­bedingungen haben sich in den vergangenen Jahren merklich verändert. Der Grenz­schutz im Agrar­bereich wurde schritt­weise reduziert, der Wett­bewerb so verschärft.

Branchenverantwortung

Welche Bedeutung haben branchen­über­greifende Beziehungen?
Als grösste Mühle im Land tragen wir Verant­wortung und engagieren uns in verschie­denen Gremien und Fach­gruppen der Müllerei- und Getreide­branche, sei es beim Dach­verband der Schweizer Müller DSM, bei Swiss Granum oder der Foederation der Schweize­rischen Nahrungs­mittel-Industrien (fial) bis hin zur Berufs­bildung. Swissmill ist eine wichtige Partnerin der Schweizer Land­wirtschaft.

Es ist mir ein Anliegen, Rahmen­bedingungen aus einer Gesamt­sicht heraus möglichst aktiv und in einem offenen Dialog mitzu­gestalten. Je konstruk­tiver man sich einbringt, desto eher finden Interessen über die Branche hinaus Gehör. Gemeinsam haben wir so etwa erreicht, dass Mühlen-Nach­produkte wie Kleie in die Grund­futter-Liste der grasland­basierten Milch- und Fleisch­produktion auf­genommen wurden.

Inwiefern profitiert Swissmill von der Zusammen­arbeit mit Coop?
Coop war für unseren Betrieb oft ein Treiber für Inno­vationen, etwa im Retail­geschäft mit den Klein­packungen. Wir kamen den Bedürf­nissen der Bäcke­reien nach und folgten Ziel­setzungen für Sortiments­erweite­rungen. Wir sind eigenständig, als Division aber vertikal eingebettet. Das Tandem mit Coop wirkt für uns sehr unter­stützend und inspirierend.

Stetig dazulernen

Swissmill arbeitet mit Coop als internem Kunden und Dritt­kunden zusammen. Heisst das, dass Sie verschie­denen Rollen­ansprüchen gerecht werden müssen?
Coop als unsere Eigen­tümerin ist für uns eine besondere Kundin, die es immer wieder zu über­zeugen und zu begeistern gilt. Unsere Mitar­beitenden mussten stetig dazulernen, um sich an die hohen Ziel­setzungen von Coop heran­zuarbeiten und diesen zu genügen.

Die Öffnung ab den Sechziger­jahren für Dritt­kunden mit ihren Anforde­rungen brachte neuen Schub ins Unter­nehmen. Eine autonome Bench­mark ist wichtig: Operiert man als Zulieferer einzig im eigenen Universum, fehlt die Gewiss­heit, dass man im Markt wett­bewerbs­fähig bestehen kann.

Wie ist das gelungen?
Besonders in den letzten Jahren konnten wir bei Dritt­kunden weiter Vertrauen aufbauen. Wir pflegen offene und partner­schaftliche Beziehungen. Wir achten darauf, dass wir die An­sprüche unserer Mutter Coop wie die­jenigen eines dritten Kunden wahr­nehmen. Anderer­seits sind uns grosse und kleinere Dritt­kunden genauso wichtig. Im Kern versuchen wir für alle Kunden, unser Bestes zu geben.

Zukunftsglaube

Der Bau des Korn­hauses war eine ausser­gewöhnliche Heraus­forderung. Welche Faktoren haben zum Erfolg beigetragen?
Das Kornhaus ist ein markanter Meilen­stein in unserer Geschichte, worauf wir stolz sein dürfen. Von aussen wird das Kornhaus als Investition in die Zukunft wahr­genom­men, es signalisiert deutlich, dass wir an die Wert­kette Getreide, Mehl, Brot glauben.

Möglich wurde der Bau durch ein Zusammen­spiel verschiedener Faktoren: zunächst dank des Ver­trauens von Coop in unser Unter­nehmen. Entschei­dend war die politische Ziel­setzung des Zürcher Stadt­rats, dass Produktion und Industrie auch künftig in der Stadt Platz haben sollen. Im Bahn­anschluss liegt dafür eine wichtige Voraus­setzung. Nicht zuletzt war das Engagement unserer Mitar­beitenden grund­legend für den Erfolg.

Sie dürfen sich über ein hohes Engagement im Betrieb freuen.
Die Begeisterung, die von langjährigen Mitar­beitenden ausgeht, ist bemerkens­wert und springt auf unsere Nach­wuchs­kräfte über. Dass wir als Unter­nehmen mit Inno­vationen immer wieder voraus­gehen wollen, leuchtet wie eine weit vorne auf­gehängte Laterne und wirkt sehr motivierend.



2016 – Kornhaus-Einweihung


Direkt bei der Mühle fehlte der Platz für ein weiteres Getreide­silo. So sahen wir in einer Silo­auf­stockung um 80 Meter, auf 118 Meter Höhe, eine Lösung. Im September 2016 wurde das Kornhaus eingeweiht. Dank des Baus haben wir eine verdoppelte Lager­kapazität für Getreide bei der Mühle und unsere Leute können so viel besser mit der Getreide­vielfalt und den Labels umgehen. Das erspart aus­serdem Ein- und Auslage­rungen in externen Silos und ent­sprech­end auch Transporte. Die Funktion gibt unserem Siloturm den Namen: «Kornhaus». Dank dieses Meilen­steins wissen heute mehr Leute, dass es in unserer Stadt eine Lebens­mittel­mühle gibt.

Was uns auch freut: Unter freiem Himmel, auf dem Dach­geschoss des Kornhauses, befindet sich eine monumentale Skulptur, die an den Wert der Getreide­körner erinnert. Das Werk mit dem Titel «Dignatio Vegrandis – die Würdigung des Winzigen / überaus Grossen» symbolisiert in hundert­tausend­facher Vergrös­serung die kleinsten inneren Struk­turen eines Weizen­korns. Künstler Ralf Fitze, ursprünglich Mühlen­bauer, fertigte die Kons­truk­tion aus Alt­aluminium – mit 80 aus­gedienten Back­blechen aus Industrie­bäckereien.

Übrigens: Bei Swissmill stehen insgesamt vier Getreide­silos, alle sind – entsprechend ihrem Bau­jahr – num­meriert: Das rote, denk­mal­geschützte Silo 24, das Silo 36 bei der Anlieferung und das Silo 57, unser heutiges Kornhaus. Etwas weiter weg, zwischen dem Eisen­bahn- und dem Letten­viadukt, das Silo 71.

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